Svarožic / Radegast / Dažbog

Svarožić/Radegast und andere Götter (Quelle: Georg Spalatin: Chronic der Sachsen. Werkstatt des Lucas Cranach, Wittenberg 1530/35)
Svarožić/Radegast und andere Götter (Quelle: Georg Spalatin: Chronic der Sachsen. Werkstatt des Lucas Cranach, Wittenberg 1530/35)

Seinem Namen nach war Svarožic der Sohn des Svarog, des Gottes des himmlischen Feuers, und ebenfalls ein Sonnengott, aber mit einer Bedeutungsverschiebung hin zum irdischen Feuer. Im ostslawischen Raum wurde er unter dem Namen Dažbog ("der gebende, lebenspendende Gott") verehrt (von dažd = "gib"); womöglich gibt es auch einen Bezug zur indogermanischen Wurzel dag- (vgl. altind. dah- "brennen"). Fürst Vladimir I. führte im Jahr 980 seinen Kult in Kiew ein; er gehörte neben Perun, Stribog, Chors, Simargl und Mokosch zu den Göttern, deren Idole in der Stadt von ihm aufgestellt, jedoch bereits acht Jahre später nach der Taufe Vladimirs wieder abgerissen wurden. In russischen Traktaten des 11. und 12. Jhdts. konnte „Svarožic“ auch das kultische Feuer selbst bezeichnen. Die Ipatejev-Annalen aus dem frühen 12. Jhdt. vergleichen ihn mit dem griechischen Sonnengott Helios. Das russische Volk und sein Fürst Oleg werden im Igorlied die „Enkel Dažbogs“ genannt. Auch bei den Bulgaren und Serben war dieser Gott - unter dem Namen Dabog - mit einem Feuerkult verbunden. Ein junger Gott namens Božič, der zu Weihnachten in dem brennenden Stamm "badnjak" verehrt wurde, war ursprünglich ein Sohn des  Sohn des Svarožic-Dabog. Nach der Christianisierung wurde er mit dem Teufel gleichgesetzt, etwa von den Bogomilen, die ihn als den "Zar auf Erden" - den teuflischen Herrscher der Erde - dem Gott im Himmel entgegenstellten. Auch Bruno von Querfurt nennt ihn in einem Brief an Kaiser Heinrich II. im Jahre 1008 Zuarasiz diabolus.

Bei den Elb- und Ostseeslawen bzw. den christlichen Chronisten wird er auch Radegast oder Redigost genannt. Thietmar von Merseburg beschreibt zu Beginn des 11. Jhtds. Tempel und Kult des Gottes in der Burg Radegast im Gebiet der Redarier; sie wurde später mit der Tempelburg Rethra, die bis heute noch nicht eindeutig lokalisiert ist, identifiziert. Die Burg lag in einem tiefen Wald, hatte nach Thietmar drei Tore (nach Adam von Bremen sogar neun, was jedoch für eine mythisierende Ausgestaltung gehalten wird), deren kleinstes, nach Osten gelegenes, nicht dem allgemeinen Publikum zugänglich war und zum Tempel führte, der nahe an einem düsteren See (oder auf einer Insel im See?) errichtet war. Das reich verzierte und mit geschnitzten Götterbildern geschmückte hölzerne Heiligtum ruhte auf einem Fundament von Geweihen und Hörnern; in seinem Inneren waren Standbilder verschiedener Götter mit eingeschnittenen Namen aufgestellt. Weder Thietmar von Merseburg noch Adam von Bremen haben das Heiligtum jedoch selbst gesehen.

Radegast/Rethra war das zentrale Heiligtum der im Lutizenbund zusammengeschlossenen Stämme; bei Adam von Bremen ist der Name Redigast gegen Ende des 11. Jhdts. bereits von der Burg auf den Gott übergegangen, der nun als Stammes- und Kriegsgott der Redarier erscheint, aber noch immer die alten Attribute des Sonnengottes beibehalten hat: Insbesondere war ihm das Pferd heilig, das in vielen alterümlichen Mythologien mit der Sonne in Verbindung steht (etwa indem Pferde den Sonnenwagen ziehen). Aus dem Verhalten eines heiligen Pferdes in Rethra, das über gekreuzte Lanzen zu schreiten hatte, schlossen die Priester des Svarožic/Radegast auf den Erfolg kriegerischer Unternehmungen; außerdem soll sich ein riesiger Eber als Orakeltier in einem See in der Nähe des Heiligtums gewälzt haben, wenn Krieg drohte.

Im Jahre 1066 wurde dem Svarožic in Rethra der auf eine Lanze gespießte Kopf des Bischofs Johannes Scotus geopfert, doch bereits zwei Jahre später wurde das Heiligtum zerstört und das heilige Pferd von Burchard von Halberstadt fortgeführt. Möglicherweise wurde Rethra noch einmal wieder aufgebaut, aber seine Rolle als wichtigste Kultstätte des westslawischen Heidentums wurde bis 1168 von Arkona auf Rügen übernommen, das vor allem der Verehrung des Swantewit gewidmet war.

Das "dreihörnige" Rethra. Aquarell von H. Kuntze-Seeborg (1950). Foto von Baal Müller
Das "dreihörnige" Rethra. Aquarell von H. Kuntze-Seeborg (1950). Foto von Baal Müller