Triglaw

Triglaw
Triglaw

Triglaw ist ein dreiköpfiger Gott; sein Name leitet sich daher wahrscheinlich von slaw. tri (drei) und golowa, glaw, glawnyi- (Haupt) ab. Diskutiert wurde auch eine - nicht näher belegte - Interpretatio Graeca, da die griechische Göttin Hekate auch Tricephalos (die Dreiköpfige) genannt wurde und missionierende Mönche für den slawischen Gott einen ihnen bekannten antiken Namen verwendet haben könnten. Noch weniger überzeugend ist die von E. Wienecke vertretene These, der Name bezeichne eigentlich die drei Hügel Stettins und wurde später auf den Gott übertragen; sie ist, wie Norbert Reiter ("Das Glaubensgut der Slawen") gezeigt hat, schon aus sprachlichen Gründen falsch und überzeugt auch deshalb nicht, weil Triglaw ebenso an anderen Orten verehrt wurde. Sein Kult ist vor allem aus Wolin und Stettin bezeugt; die wichtigsten Quellen stammen von Ebbo, Herbord und dem Prüfeninger Mönch, den Biographen des Bischofs Otto von Bamberg, der in Pommern missionarisch tätig war. Das Hauptheiligtum des Triglaw lag auf auf dem höchsten Berg bei Stettin. Von dem dort verehrten Idol berichtet Ebbo (III, 1):

 

"Er hatte ein dreiköpfiges Standbild, dessen Augen und Lippen mit einem hohen, goldenen Hut überschattet waren. Von den Götzenpriestern wurde behauptet, der höchste Gott habe deshalb drei Köpfe, weil er drei Reiche regiere, nämlich das der Erde, des Himmels und der Unterwelt; und das Gesicht verhülle er sich, weil er nicht sehend, gewissermaßen, und schweigend die Sünden der Menschen nicht zur Kenntnis nehme."

 

Den kosmologischen Implikationen ist sicher zuzustimmen, Triglaw wäre dann, ähnlich Swantewit, ein Allgott, der die drei metaphysischen Welten durchschaut - hierzu paßt die Überlieferung, daß seine Statue eine Mondsichel in den Händen hielt -; daß er sich aber verhüllte, um die Sünden der Menschen nicht sehen zu müssen, ist sicher eine christliche Fehldeutung. Wahrscheinlicher ist, daß das Götterbild nicht für jeden und zu jeder Zeit sichtbar sein sollte, sondern nur im Rahmen bestimmter Zeremonien. Vielleicht ging man davon aus, daß die seherischen Fähigkeiten Triglaws in besonderen Zeiten (unter dem Einfluß bewußtseinserweiternder Techniken oder Rauschmittel?) auch seinen Anhänger zuteil würden, was aber nicht zu oft geschehen dürfe, da der Mensch zu solcher Schau dauerhaft nicht befähigt sei. - So könnte eine, zugegebenermaßen gewagte, Interpretation lauten.

Weiter wird von der Kultstätte Triglaws berichtet, daß auch dort, wie in Rethra und Arkona, ein - allerdings schwarzes - Pferd gehalten wurde, das zu Orakelzwecken über eine Reihe von Lanzen hinwegschritt: Berührte es keine der Lanzen, galt dies als gutes Zeichen für kriegerische Unternehmungen und Beutezüge. Ein Zehntel der Beute wurde dann an den Tempel abgeführt (ein moderater Anteil, verglichen mit den heutigen Steuerlasten). Das Pferd war reich geschmückt und hatte einen mit Gold und Silber verzierten Sattel. Vielleicht verweisen die an verschiedenen Orten - so auch am slawischen Burgwall der Stadt Brandenburg - gefundenen Bronze-, Holz- oder Bernsteinpferdchen mit dreifachen Höckern auf dem Rücken oder die als Amulette unter den Slawen verbreiteten, oft dreispitzigen Lunula-Anhänger auf den Kult des Triglaw (siehe Meschkank, S. 63ff.)

Auch die drei Köpfe des Standbildes waren versilbert (wie es ebenso für die Götterstatuen in Kiew bezeugt ist) - Otto von Bamberg soll sie, als er das Heiligtum 1127 vernichtete, abgeschlagen und nach Rom zu Papst Calixtus II. gesandt haben. Calixtus war damals aber schon seit drei Jahren verstorben, und es gibt auch keinen Beleg, daß die Köpfe dort je angekommen wären. Es ist natürlich möglich, daß sie im Vatikan zerstört wurden, um ihre Silber-Verzierung anderweitig zu verwenden; vielleicht sind sie aber auch geraubt oder irgendwo versteckt worden, wie es von Wolin überliefert wird. Auch dort hat Otto den Tempel zerstört, aber heidnische Priester konnten das Kultidol retten und in einem hohlen Baum verwahren, wo seine Verehrer ihm weiterhin Opfer darbrachten. An der Stelle des Heiligtums hat Otto die Adalbertskirche erbauen lassen.

Der Kult des Triglaw wurde auch in anderen Städten gepflegt, jedoch sind die Überlieferungen dort spärlich; eine Brandenburger Chronik aus dem 13. Jhdt. und der tschechische Chronist Pulkava erwähnen seine Verehrung in der Stadt Brandenburg, wo das Heiligtum auf dem Harlungenberg, dem heutigen Marienberg, gestanden habe und im Zuge der Christianisierung von der Marienkirche abgelöst worden sei. In dieser Kirche, die 1722 auf Befehl des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. von Preußen abgerissen wurde, soll die brandenburgische Triglaw-Statue noch bis ins 16. Jhdt. hinein aufbewahrt worden sein. Laut dem Brandenburger Stadthistoriker Otto Tschirch sei sie 1526 dem dänischen König Christian II. geschenkt worden. Sogar in der Umgebung von Meißen soll es zu jener Zeit noch dreigesichtige Idole gegeben haben.

Besonders merkwürdig ist auch ein Bericht des Historikers Hermann Stangefol aus dem Jahre 1656: Er behauptet von der Drüggelter Kapelle im Sauerland, daß sie einst ein heidnischer Tempel mit dem Bildnis einer Göttin "Trigla" gewesen sei, die erst 1583 im Truchsessischen Krieg verlorengegangen sei. Es ist allerdings anzunehmen, daß Stangefol hier verschiedene Gerüchte vermengt; die lokale Verehrung einer wendischen Gottheit ist so weit westlich schwer vorstellbar.

Ein später Nachklang dieser "Verweiblichung" des Gottes findet sich in den "Lausitzer Merckwürdigkeiten" von Samuel Großer (1714) und in den anonymen "Götzenbildern der alten Sachsen und Lausitzer" von 1835, wo jeweils eine weibliche Gestalt abgebildet ist. Auch Heinrich Gottlieb Kreußler, in dessen "Altsächsischen und sorbenwendischen Alterthümern für die Jugend" von 1823 der Gott männlich dargestellt ist, verweist darauf, daß "der Götze als Mann oder Frau mit drei Köpfen und in der Hand einen Halbmond haltend, abgebildet wurde" (Meschkank, S. 50). Werner Meschkank hält ein Mißverständis für möglich, weil das auslautende "w" im Sorbischen nicht als "f" ausgesprochen wird und daher wie eine im Deutschen meist weibliche Endung auf -"a" geklungen habe; er deutet aber auch die Möglichkeit einer Doppelgeschlechtlichkeit an, wie sie sich bei einigen indischen Göttern findet. Parallelen dazu gibt es auch in der Antike, etwa im platonischen Mythos androgyner "Kugelmenschen" und in hermaphroditischen Gottheiten (z.B. Agdistis, aus dessen Entmannung Kybele und Attis entstanden) oder auch in der nordischen Mythologie (der Urriese Ymir oder Loki, der in Gestalt einer Stute Odins Pferd Sleipnir gebar).

 

Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch der Name des in den Julischen Alpen gelegenen, höchsten slowenischen Berges (2863 Meter) zu erwähnen; allerdings heißt er wohl tatsächlich nur wegen seiner drei Gipfel "Triglaw". Eine Verehrung des Gottes ist dort ebensowenig wie auf dem gleichnamigen Berg in Bulgarien bezeugt. Als magischer Ort wurde er dennoch wahrgenommen: Die sinfonische Dichtung "Eine Nacht auf dem kahlen Berge" von Mussorgski handelt von einem Hexensabatt auf dem Triglaw ...